Schüler:innengruppe des Rupert-Neudeck-Gymnasiums ist von Gedenkstättenfahrt nach Auschwitz und Krakau zurückgekehrt
„Wir wurden gehalten wie wilde Tiere.“ Mit diesen Worten beschreibt die Zeitzeugin und polnische Auschwitz-Überlebende Zdzislawa Bogdazewski ihr Leben mit 500 anderen Kindern in der Kinderbaracke des Lagers. Im Rahmen der Gedenkstättenfahrt nach Auschwitz und Krakau vom 10.06.-16.06.23 durften 20 Schülerinnen und Schüler der damaligen EF (jetzt Q1) die inzwischen 90-jährige Frau treffen. „Engagiert Euch für eine Welt ohne Rassismus und Krieg!“ So lautete ihr eindringlicher Appell an die Zuhörer:innen aus Nottuln.
Aber nicht nur das Treffen mit der Zeitzeugin hat bei der Gruppe und den drei Lehrerinnen Nicole Bedminster, Elena Reineke und Stefanie Pröbsting Spuren hinterlassen. Auch der Besuch des Stammlagers Auschwitz selbst ließ alle einen Eindruck bekommen von der unermesslichen Grausamkeit der nationalsozialistischen Verbrechen. Besonders der Anblick der Massen von angehäuften Alltagsgegenständen, die den Insassen abgenommen wurden, brannte sich in ihr Gedächtnis ein: Brillengestelle, Schuhe, Töpfe, ein Berg von abgeschnittenen Haaren. Außerdem gab es ein dickes Buch mit Hunderten von Seiten. Hier waren die Opfer von Auschwitz verzeichnet samt ihrem Namen und ihrem Herkunftsort. Einige entdeckten auch den Namen der jüdischen Familie Lippers aus Nottuln, die im Lager umkam.
Die Konfrontation mit der Größe des Leids ließ niemanden aus der Gruppe unberührt. Um das Gesehene verarbeiten zu können und zum besseren persönlichen Austausch, hatten die Schülerinnen und Schüler die Aufgabe sich ein Fotomotiv zu suchen und dazu einen Text zu verfassen. Eine Schülerin schreibt über ein Foto: „Ich habe die Häftlingskleidung ausgesucht, da sie für mich sehr viel schlimmer ist, als sie aussieht. Mit der Ankunft im Vernichtungslager Auschwitz wurde den Insassen durch das Aufnahmeritual die Persönlichkeit genommen, denn sie wurden geschoren wie Tiere und ihnen wurden Nummern gegeben, die auf ihre Arbeitskleidung genäht wurden. […]“
Dies war nur ein Beispiel für die vielen Akte der Entmenschlichung, mit denen sich die Gruppe auseinandersetzte. Bei dem Besuch von Auschwitz Birkenau am darauffolgenden Tag (12.06.) sahen die Schülerinnen und Schüler die gigantische Größe der Anlage, die „Judenrampe“, an der in den Jahren 1942-1944 die Transporte von Auschwitz ankamen, dann folgte der Besuch der Krematorien. Die Besichtigung der Baracken erweiterte die Erzählungen der Zeitzeugin. An den Wänden der Kinderbaracken fanden sich Zeichnungen: für Kinder ein Stück Menschlichkeit in einer unmenschlichen Umgebung.
Fast eindrücklicher als Auschwitz selbst empfanden die Schüler:innen allerdings eine Kunstausstellung im Franziskanerkloster in Harmeze, die die Gruppe am dritten Tag (13.06.) besuchte. Sie wurde erstellt von dem ehemaligen Auschwitz-Häftling Marian Kolodziej und trägt den Titel „Labyrinth“. Hier wurde in den Kellergewölben des Klosters anhand von Bildern die „Hölle von Auschwitz“ vorstellbar: Mithilfe der Kunst wird für den Betrachter/die Betrachterin der Schmerz spürbar, den der Künstler hier verarbeitet und der ihn sein Leben lang nicht losgelassen hat. „Dieses Franziskanerkloster ist mir am meisten in Erinnerung geblieben“, berichtet der Schüler Jakob Nordalm nach der Rückkehr aus Polen, „sehr eindrücklich hat der Künstler hier seine Geschichte erzählt.“
Die letzten beiden Tage verbrachte die Gruppe in Krakau. Hier erfuhr man auch etwas über das heutige jüdische Leben: Die Gruppe besuchte eine Synagoge und erhielt eine Führung durch das jüdische Viertel. Außerdem wandelte man auf den Spuren Oskar Schindlers.
Am Ende sind es die persönlichen Geschichten, durch die die Jugendlichen Zugang zu diesen Zeugnissen der Vergangenheit finden. Und sie selbst haben ihre eigenen Gedanken und auch Fragen dazu formuliert in sehr eindrücklichen Texten zu den Bildmotiven. Diese sollen der Öffentlichkeit Nottulns und der Schulgemeinschaft zugänglich gemacht werden. Wie das geschehen kann, darüber will die Gruppe in einem ersten Nachtreffen am kommenden Montag, den 04.09.23 sprechen. So soll das Erlebte weitergegeben werden, ganz im Sinne des Mottos der Fahrt: Gegen das Vergessen und zur Bewahrung der Erinnerung.